3,5 mm, die alles verändern

Bei meiner ersten Untersuchung im September 2016, bei der meine Schwangerschaft bestätigt wurde, überreichte man mir einen Zettel, der mich über die Möglichkeiten der weiteren Untersuchungsverfahren im Verlauf der Schwangerschaft aufklären sollte. Ich sollte mir die Informationen in Ruhe durchlesen und meine Entscheidung meinem Frauenarzt bei der nächsten Untersuchung (1. Mutter-Kind-Pass Untersuchung) im Oktober mitteilen.

 

Es gab die Möglichkeiten, nur die drei im Mutter-Kind-Pass vorgesehenen Ulltraschalluntersuchungen zu machen, für einen Aufpreis bei jeder Untersuchung eine Ulltraschalluntersuchung dazu zu buchen, oder die erweiterte Pränataldiagnostik (Nackenfaltenmessung etc.) in Anspruch zu nehmen...

 

Als ich auf dem Informationsblatt über das Kapitel Chromosomenstörung und Trisomien stolperte, sträubte sich alles in mir. Daran hatte ich bis jetzt überhaupt nicht gedacht. Ich war doch "erst" 29 und damit noch nicht in der Risikogruppe für Chromosomenstörungen bei meinem Kind. Wie unwahrscheinlich war es überdies, dass genau uns ein solches "Schicksal" traf. Ich überflog das Kapitel rasch und legte den Zettel zur Seite. Pränataldiagnostik brauche ich nicht. Ich würde das Kind überdies so lieben, wie es ist.

 

Ein paar Tage vor der Untersuchung kam mir das Informationsblatt wieder in den Sinn. Ich erkundigte mich in meinem Bekanntenkreis bei Frauen, die bereits Mütter waren, was sie auf diesem Zettel angekreuzt hatten, da ich mir nicht sicher war, ob die drei inkludierten Ulltraschalluntersuchungen reichen würden, oder ob ich zusätzliche dazu buchen sollte. Zu meiner Verwunderung ließ fast jede meiner Freundinnen auch die Nackenfalte des Babys messen. Ich entschied mich trotzdem dagegen und kreuzte "Bei jeder Untersuchung auch eine Ulltraschalluntersuchung" an. Dass mein Kreuz auf diesem Zettel überhaupt keine Wertigkeit hatte, erfuhr ich am 10.10.2016.

 

Vor dieser Untersuchung im Oktober war ich unglaublich nervös. Schließlich war mein Baby bei der letzten Untersuchung gerade mal ein weißer Punkt auf dem Ulltraschall. Hatte es sich zeitgerecht entwickelt, lebte es überhaupt noch? Körper und Organe des Feten sollten zu diesem Zeitpunkt bereits grundsätzlich ausgebildet sein. Ich schrieb meiner besten Freundin eine letzte Nachricht, bevor ich das Wartezimmer betrat: "Eigentlich bräuchte ich jetzt einen Schnaps". Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, was mir wirklich bevorstand. In den kommenden dreißig Minuten kam alles anders, als ich es mir jemals vorgestellt hatte.

 

Einige Momente später lag ich bereits auf der Liege im Untersuchungsraum. Auf dem Ulltraschall erschien ein kleines Würmchen, erste menschliche Züge waren bereits zu erkennen. Kurz darauf das erste mal die Herztöne des eigenen Kindes hören, das wohl schönste Geräusch für jede werdende Mutter. Das zappelnde Baby auf dem Ulltraschall gepaart mit dem Klopfen seines kleinen Herzchens, ich war glückselig.

Wäre da nicht der Gesichtsausdrucks meines Frauenarztes. "Ich sage Ihnen, wenn ich etwas Auffälliges sehe und Sie zur Pränataldiagnostik schicken muss." Ein paar weitere zermürbende Blicke gefolgt von Momenten der Stille, die sich anfühlen wie Nadelstiche. Irgendetwas scheint nicht zu stimmen. "Ich muss Sie leider zur Pränataldiagnostik überweisen, die Nackenfalte Ihres Babys beträgt 3,5mm."

 

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